Sport – selbstorganisiert, konkurrenzarm, unterdrückungssensibel und solidarisch

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Dieser Artikel ist Teil unserer Zeitung zur Kommunalwahl 2025.
Autor*in: Einige Sportenthusiat*innen

Neben Theater, Film, Radio (zugegeben etwas von der Bildfläche verschwunden), Malerei (von Bleistift bis Sprühdose) bildenden Künsten und und und gehörte auch gemeinsame sportliche Betätigung immer schon zum Repertoire linker (Gegen-)Kultur.

Während dies in den vergangenen Jahrzehnten jedoch häufig als reine “Freizeit” und oft in vorbestehenden Vereinen/Sportschulen oder als passive Teilnahme (z.b. BVB) stattfand, gibt es in Dortmund in den letzten Jahren eine Tendenz, in bester D.I.Y.-Manier und in explizit politischem Setting Sportangebote zu organisieren und öffentlich zugänglich zu machen.

Diese selbstorganisierten Sportgruppen sind entweder als Abteilungen Teil von vorbestehenden Vereinen geworden oder treffen sich weiterhin ohne Vereinsstruktur oft angegliedert an subkulturelle Orte wie das Kasino, die Stallgasse , das SÖZ! oder andere.

Allen diesen Angeboten gemein ist ein besonders hoher Anspruch an den Umgang miteinander. Es es geht nicht oder nicht allein um persönlichen Spaß, Selbstoptimierung und Durchsetzung in empfundener oder tatsächlicher Konkurrenz. Vielmehr ist das Ziel gemeinsame Freude an Bewegung unabhängig von mitgebrachten Fähigkeiten, Alter oder Fitness. Gemein ist allen diesen Gruppen, dass sie weder kommerziellen Interessen folgen, Zugänglichkeit daher unabhängig vom Geldbeutel besteht, sondern, dass sie auch den nur allzu oft vernommenen Leitsatz „Sport ist Sport, da hat Politik nichts zu suchen” ablehnen. Explizit geht es darum, diskriminierungsarme Räume zu schaffen, Betroffenen Raum zu geben, der andernorts nicht vorhanden ist, und sich aktiv gegen Menschenfeindlichkeit zu positionieren.

Auch vorher gab und gibt es ein breites Angebot an niederschwellig zu besuchendem Vereinssport. Nicht zuletzt die oft männlich dominierten und verkrusteten Vereinsstrukturen schaffen aber häufig kein Klima, in dem progressive gesellschaftliche Ideen gedeihen wollten. Umso mehr freuen wir uns, dass Sport als gemeinsame Freizeitgestaltung und manchmal auch Vorbereitung für politisches Engagement vermehrt praktiziert wird. Dies geschieht trotz gesellschaftlicher Entwicklung nach rechts und während eines gesamt-gesellschaftlichen, in seinen Ausprägungen neoliberalen, Vereinzelung, Konkurrenzkampf sowie normierende Körperbilder zementierenden Fitness- und Gesundheitstrend, gegen den sich abzugrenzen nicht immer leicht ist und auch nicht immer gelingt.

Wir haben jedoch die Erfahrung gemacht, dass gemeinsamer Sport nicht nur ein gern genutzter und von Teilnehmenden deutlich niederschwelliger wahrgenommener Anlass ist, Szeneorte aufzusuchen und dadurch mit bestimmten politischen Ideen und Positionen immer wieder in Kontakt zu kommen, Leute kennenzulernen, sich mit den Orten zu identifizieren und nicht zuletzt Vertrauen zu entwickeln. Diese Angebote stellen für viele auch erste Schritte in politischer Szene dar, Bekanntschaften entstehen meistens viel schneller und ungezwungener als es in Versammlungen, Demonstrationen oder auch bei Kulturveranstaltungen der Fall ist.

Zudem legen links-politisch geprägte Sportvereine, Kurse und informelle Angebote in aller Regel viel Wert darauf, allen Interessierten den Zugang unabhängig von finanziellen Möglichkeiten, mitgebrachten Erfahrungen und Fähigkeiten, und natürlich auch von körperlicher Konstitution, Muttersprache, Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller Orientierung zu ermöglichen, sodass hier eine ganz andere Atmosphäre herrscht als in vielen „gewöhnlichen“ Vereinen oder gar kommerziellen Sportstudios. Natürlich kommen diese Ansprüche in der Realität regelmäßig an ihre Grenzen, und die Idee von vollständig diskriminierungsfreien Räumen bleibt wohl eine Wunschvorstellung. Trotzdem freuen wir uns über diese Entwicklung und glauben, dass Orte, an denen Toleranz, Akzeptanz, ein gewaltfreier und

respektvoller Umgang allen gegenüber herrschen, keinesfalls ein Heilmittel, wohl aber eine Auszeit von verrohten Diskursen und reaktionären Gesellschaftsbildern sein können.

Während sich jenseits von „reiner Politik“ linke Kultur und Gegenkultur oft in Wochenendsettings, Kneipen, Cafés, Konzerten oder anderen Bühnenveranstaltungen abspielt, sind gemeinsame Sportangebote deutlich kommunikativer, integrierender und oft niederschwelliger zu besuchen.

Eine weitere positive Entwicklung ist es, dass z.B. im Zuge des Kampfsport-Hypes der letzten 10 – bis 15 Jahre zunehmend hegemoniale Männlichkeitsbilder diskutiert, mancherorts gar in Frage gestellt werden, dass sich die zuerst in emanzipatorischen Kontexten entstandene Praxis von Kursen und Gruppenangeboten explizit für Frauen und später FLINTA*-Personen mittlerweile auch in Kontexten verbreitet, die links-sozialistischen Programmen eher unverdächtig sind oder Yoga-Angebote ohne esoterische Schwurbelei auskommen.

Natürlich wird das allein den gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck nicht aufhalten und bietet sogar das Gefahrenpotential, sich in einem weiteren gesellschaftlichen Bereich in seine eigene, häufig komfortablere Nische zurückzuziehen. Doch eine Diversifizierung des Angebots in Räumen mit emanzipatorischem Grundkonsens vergrößert auch die Zielgruppe(n), sodass emanzipatorische, progressive, antifaschistische und Ideen von Selbstorganisation von unten eine breitere Rezeption erfahren.

Um sich mit den eigenen Ideen auch weiterhin nicht zurückzuhalten und ein noch breiteres Sportangebot, z.b. auch mit Teams, die im Breitensport antreten und mit explizit transformatorischem Anspruch verwirklichen zu können, wäre die Gründung eines Sportbundes oder auch eines Sportvereins vorstellbar – Roter Stern Dortmund, OléOlé!