Dieser Artikel ist Teil unserer Zeitung zur Kommunalwahl 2025.
Autor*in: Don’t forget the struggle (Einleitung) und Antifas aus Eisenach (Artikel)
Die ostdeutschen Landtagswahlen 2024 waren der Anstoß für die Tresenreihe „Don’t forget the struggle. Don’t forget the east“, die unregelmäßig meist im Nordpol stattfindet. Wir wollten nicht alleine sein mit der niederschlagenden Situation in Ostdeutschland, der wir hilflos gegenüber stehen. Gleichzeitig wollen wir nicht mit dem Finger auf den „schlimmen“ Osten zeigen, sondern zeigen, dass es neben rechten Brandstifter*innen und Nazi-Schläger*innen auch Solidarität und Widerstand gibt. Wir laden immer wieder ostdeutsche Genoss*innen, damit sie selbst von ihrer Situation erzählen können und wir gemeinsam überlegen können, wie eine solidarische Praxis über viele Kilometer hinweg aussehen kann, wie wir unseren Genoss*innen in ihrem harten Kampf gegen den rechten Mob den Rücken stärken können. Für uns war klar: Die Genoss*innen aus Eisenach müssen wir unterstützen. Sie sind nicht nur mit der AfD sowie einer lokalen, starken und sehr gewalttätigen Neonazis konfrontiert, sondern treffen immer wieder auf Neonazis aus Dortmund. Wir freuen uns, dass unsere Genoss*innen von vor Ort sich dem rechten Normalzustand tagtäglich entgegenstellen.
Ob Ost, ob West, nieder mit der Nazipest.
Kommunalpolitik: Lebensnah und kräftezehrend
Antifas aus Eisenach
Als wir im letzten Jahr in Thüringen die kommunalen Parlamente wählten, war uns bereits klar, wie die Ergebnisse aussehen würden. Als politische Linke in Eisenach kennen wir die Situation bestens, weshalb die konservativ-rechten Mehrheiten in fast allen Stadt- und Gemeinderäten sowie in Kreistagen nicht überraschend kamen. Zugleich war uns die Tragweite der Auswirkungen bewusst: Politisch motivierte Kürzungen von Integrationsstellen, die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete oder die Streichung der Gelder für Jugendarbeit sind seit der Kommunalwahl im September 2024 an der Tagesordnung.
Kommunalwahlen sind die Wahlen, bei denen sowohl in Thüringen als auch in NRW Menschen ab dem 16. Lebensjahr mitbestimmen können. Man könnte meinen, die kommunale Politik sei am lebensnächsten. Wohl auch, weil die Politiker*innen vorrangig ehrenamtlich arbeiten. Vor allem der Wahlkampf ist für die Kandidierenden eine Herausforderung. Manche von uns kennen es: Flyer verteilen, Plakate hängen, Infostände durchführen. Das ist Basisarbeit, die vor allem vor den Kommunalwahlen von den Kandidierenden und ihren ehrenamtlichen Teams selbst erledigt wird. Die Wahl zum Stadtrat oder Kreistag ist jedoch auch deshalb so lebensnah, da die entstehenden Mehrheiten über die Vorgänge entscheiden, die die Bevölkerung unmittelbar betreffen. Dementsprechend gibt es ganz unterschiedliche Motivationen, die zur Stimmabgabe führen können: Die alleinerziehende Mutter geht wählen, damit der nächste Stadtrat die Kindergarten-Gebühren nicht weiter erhöht. Der 16-jährige Junge mit Migrationshintergrund geht wählen, damit sich die finanzielle Situation für Kultureinrichtungen verbessert. Die junge Frau, die gerade ihre Ausbildung im Klinikum begonnen hat, geht wählen, damit die Vertreter*innen im Parlament für eine bessere Ausbildungsvergütung einstehen.
Die Kommunalwahl ist also eine Möglichkeit, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Genauer gesagt: Die Wahlkampfarbeit im Vorfeld ist die Chance, um im Quartier, im Dorf oder der Wohnsiedlung vorstellig zu werden und über genau diese Themen zu sprechen. Wir kennen das: Die ehrgeizigen Pläne für bessere Kommunikation mit den Wählenden und Transparenz bei politischen Themen sind nicht leicht umzusetzen. Diese zehren nämlich oft stark an den personellen Möglichkeiten kleinerer Kreisverbände. Auch Stadtverbände können – trotz höherer Mitgliedszahlen – oft nicht über zu viele ehrenamtliche Helfer klagen. Zudem entsteht eine zweite Herausforderung, die mit der ersten zusammenhängt: Vielen der Wahlberechtigten ist die Bedeutung der Kommunalwahl durch die fehlende Präsenz der Kandidierenden kaum bewusst. Klar, die Wahlplakate sieht man und die Wahlscheine liegen auch im Briefkasten. Aber wer sind diese Menschen eigentlich,die mir morgens auf dem Weg zur Arbeit von der Laterne zulächeln?
Hier muss eine Wahlkampfarbeit ansetzen, die beide genannten Herausforderungen verbindet: In den Stadtteilen muss auf die jeweiligen Probleme der Menschen eingegangen werden. Die linke Bewegung muss zusammen mit den Kandidierenden wohlgesinnter Parteien den Menschen zuhören, ihnen Vorschläge und Zukunftsaussichten aufzeigen und vor allem gute Laune verbreiten. Und das kann übrigens auch abseits der Wahlkämpfe stattfinden. Wenn die stabilen Menschen im Quartier zusammen verschiedene Angebote schaffen, dann kann auch die Außenwahrnehmung linker Ideale verbessert werden. Dieser Gedanke findet sich bereits in unzähligen wichtigen Orten in Deutschland – ob Eisenach oder Dortmund. Unsere Ideen müssen weiterhin praktisch werden: Kultureinrichtungen, Nachbarschaftshilfe oder Bildungsangebote. Wenn unabhängig von Parteipolitik linke Ideale gelebt werden, können wir das Leben einiger Familien in den Stadtteilen Dortmunds oder Eisenachs spürbar verbessern. Außerdem müssen Safer Spaces für marginalisierte Gruppen geschaffen werden. Das Erstarken der Rechten stellt nämlich nicht nur eine politische Gefahr dar, sondern ist auch eine reale Bedrohung für Migrant*innen, Queers und weitere marginalisierte Gruppen. Die Schaffung solcher Angebote, die sich gegen rechte Hegemonie stellen, benötigt Zusammenhalt. Eine Spaltung an abstrakten Themen, die uns im schlimmsten Fall lähmt, wäre fatal.
Das braucht aber auch einen Diskurs: Wie können wir unsere Kapazitäten gezielt einsetzen, um verschiedene Projekte zu unterstützen? Auch in den kommenden Kommunalwahlen in NRW werden rechts-konservative Mehrheiten an Boden gewinnen. Natürlich brauchen wir eine handlungsfähige Opposition in den Parlamenten. Die Genoss*innen halten die Fahne hoch, während sie harte kommunalpolitische Arbeit leisten. Was die linke Bewegung dazu auch braucht, ist Präsenz in der Gesellschaft. Auch wenn sich das alles wie eine Utopie anhört angesichts unserer limitierten Kapazitäten und andauernden Kämpfe. Linke Ideale sind mehrheitsfähig – sie müssen nur viel besser sichtbarwerden.