Eine solidarische Stadt braucht Verkehrsgerechtigkeit!

Bild eines Demonstrationszuges von Kindern die ein Transparent mit der Aufschrift "Für sichere Wege in der Nordstadt" tragen

Dieser Artikel ist Teil unserer Zeitung zur Kommunalwahl 2025.
Autor*in: NaturFreund*innen Dortmund Nord

Als vor einem Jahr, am 4. September 2024, ein Schüler an der Münsterstraße in Dortmund von einer Straßenbahn erfasst und schwer verletzt wurde, waren die Bestürzung und die Betroffenheit in der Nordstadt sehr groß. Einen Monat später gingen über 450 Menschen, überwiegend Schulkinder und ihre Eltern, in der Dortmunder Nordstadt auf die Straße, um für sichere Schul- und Kitawege zu demonstrieren. In unmittelbarer Nähe zur Münsterstraße liegen die Albrecht-Brinkmann-Grundschule, die Libellen-Grundschule, die Nordmarkt-Grundschule, die Anne-Frank-Gesamtschule und das Helmholtz-Gymnasium. Hunderte Schüler*innen überqueren täglich auf dem Schulweg die vierspurige Straße mit der in der Mitte geführten Stadtbahn. An den Kreuzungen kommt es regelmäßig zu schweren Verkehrsunfällen. Offensichtlich ist die Münsterstraße mit dem Fokus auf den PKW-Verkehr und die Stadtbahn geplant worden. Fußgänger*innen bleiben nur schmale Steige und gefährliche Überwege. Radverkehr ist schlicht nicht vorgesehen.

Auto Auto Auto …

Die Situation an der Münsterstraße soll hier nur ein Beispiel sein. Denn ähnliche Situationen sehen wir in der gesamten Nordstadt, in ganz Dortmund, so wie in vielen Städten Deutschlands, Europas und der ganzen Welt. Das Auto als individuelles Verkehrsmittel steht im Fokus eines Mobilitätssystems, das sich nicht an den Bedürfnissen der Menschen orientiert.

Das Auto verdrängte seit Anfang des letzten Jahrhunderts andere Verkehrsteilnehmende zunehmend, seien es Lasten-Fahrräder, Straßenbahnen oder den Eisenbahnverkehr. Dabei lässt der ständige Konsum von PKW auf der einen Seite die Wirtschaft kontinuierlich wachsen und sichert vermeintlich Arbeitsplätze, auf der anderen Seite dient der eigene PKW als Investitionsobjekt und Statussymbol. Auf die Spitze treibt es mit dieser Erzählung der extrem rechte US-Unternehmer Elon Musk, der ein autonomes Auto sinniert, das, wenn nicht von den Besitzer*innen genutzt, eigenständig als Taxi Geld verdienen soll. Immer mehr und immer größere PKW drängen in die Städte und verschärfen die Verkehrssituation.

Hierbei ist die mangelnde Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer*innen nur eines der Probleme, die durch den immer weiter anwachsenden Autoverkehr entstehen. PKW verbrauchen zum Fahren und vor allem zum Stehen enorm viel Platz. Abgase und Lärm senken die Lebensqualität und verkürzen das Leben der Bewohner*innen nachweislich.

Rechter Kampf gegen Klima- und Verkehrsgerechtigkeit

Konfrontiert mit dieser Situation versuchen einige Kommunen, dieses sich selbst verstopfende System durch Reglementierung einzuhegen und so vor dem Kollaps zu bewahren. Geschwindigkeiten werden reduziert, Fahrstreifen durch Radwege ersetzt, Parkraum eingeschränkt oder Parkgebühren erhoben. Obwohl die Maßnahmen im Sinne der Allgemeinheit oft alternativlos erscheinen, folgt nicht selten eine rechte Kampagne gegen diese Maßnahmen. Sehr medienwirksam konnte dies in Berlin verfolgt werden, wo auch die CDU den Kampf gegen die Radwege zu einem zentralen Kommunalwahlthema gemacht hat. Auch sehen wir, dass soziale Bewegungen, die sich Mobilitäts- und Klimafragen widmen, zur Zielscheibe von Neonazis und der extrem rechten AfD werden. Im CSU-regierten Bayern werden Klimaaktivist*innen wie Terroristen staatlich verfolgt.

Verkehrswende statt Antriebswende

Damit alle Menschen sicher am Straßenverkehr partizipieren können, muss sich die Verkehrspolitik grundlegend ändern. Während Dortmund einer Studie des Car Centers Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen zufolge die Großstadt (mehr als 500.000 Einwohner:innen) mit der höchsten Autodichte ist – auf 1.000 Einwohner*innen kommen 410 Fahrzeuge –, landet die Stadt im Fahrradklima-Test 2024 des Allgemeiner Deutschen Fahrrad-Club e. V. (ADFC) auf Platz 13 von 15 unter den Großstädten. Neben der Breite und dem Zustand der Radwege bemängelten die Teilnehmer*innen gefährliche Situationen durch parkende Autos auf Radwegen, an Kreuzungen und vor allem beim Überholen durch Autofahrende, die den vorgeschriebenen Sicherheitsabstands von 1,5 Metern missachten.

Doch nicht nur die Fahrradinfrastruktur müsste ausgebaut werden, um zu einer wirklichen Verkehrswende zu gelangen. Das gesamte Verkehrssystem muss radikal umgestaltet werden, das Auto darf dabei nicht mehr als primäres Verkehrsmittel gedacht werden. Der ÖPNV muss ausgebaut werden und die Nutzung kostenlos sein. Auch Fußgänger*innen brauchen freie und sichere Wege, die zum Spazieren und Verweilen einladen.

Wenn wir diesen Bogen von der schrecklichen Verkehrssituation vor der eigenen Haustür über die kapitalistischen Produktionslogik zu den rechten Bewegungen der heutigen Zeit schlagen, wird eines klar: Wir können nicht losgelöst voneinander gegen unsinnige Mobilitätssyteme, eine klimazerstörende Energiepolitik oder extrem rechte Strukturen kämpfen. Wir müssen diese Kämpfe miteinander in Verbindung setzen, gemeinsam die kapitalistische Produktionslogik durchbrechen und eine solidarische Gesellschaft schaffen.